Konstanz und Kunst

 

Aus dem Konstanzer Südkurier vom 30.11.2017:

„Niemand rührt die Trommel“

Gastbeitrag: Axel Lapp, Leiter der Mewo Kunsthalle Memmingen, schreibt zur Stellung zeitgenössischer Kunst in Konstanz

 

Außer in den Ausstellungen des Kunstvereins – dessen Mitglieder mit großem Einsatz und ehrenamtlich ein anspruchsvolles Programm auf die Beine stellen – findet zeitgenössische Kunst in Konstanz kaum statt. Die Städtische Wessenberg-Galerie ist historisch ausgerichtet und behandelt das 19. und frühe 20. Jahrhundert, daneben gibt es noch den undankbaren Gewölbekeller im Kulturzentrum, in dem lokale Künstler ihre Arbeiten präsentieren können.

Wie anders sieht es in St. Gallen, Chur, Winterthur und Bregenz aus! Sicherlich gibt es da andere finanzielle Möglichkeiten, aber dass Kultur nicht nur eine elitäre Spinnerei ist, zeigt der Erfolg dieser Städte eben auch. Auf deutscher Seite steht Friedrichshafen als Beispiel, wo ein beachtlicher Teil des Zeppelin Museums mit Kunst bespielt wird, oder auch Ravensburg, wo das Kunstmuseum seit 2013 erfolgreich das Museums-Quartier ergänzt. Selbst Lindau hat die Kultur als Anziehungspunkt erkannt und organisiert Ausstellungen, die kunsthistorisch zwar bisweilen zweifelhaft sind, die aber durchweg über 50 000 Besucher erreichen. Kulturelle Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor und auch Teil eines kommunalen Bildungsauftrags.

Die Stadt Konstanz hingegen vertraut offenbar darauf, dass der Strom der Einkaufstouristen nicht abreißt. Dabei wären die Voraussetzungen gut. Die Stadt ist als Ausflugs- und Reiseziel etabliert und gut zu erreichen. Der Einzugsbereich ist enorm, denn nach Norden besteht erst wieder im Großraum Stuttgart ein umfassendes Angebot.

Aber der Stadtspitze in Konstanz scheint Kultur höchst suspekt. Auch ein Konzerthaus wurde ja nie als alleinstehender Kulturort erwogen, sondern nur in der Mischkonzeption als Konzert- und Kongresshaus, welche dann im Bürgerentscheid scheiterte. Wobei das Tagungsgeschäft, ob der Konnotation mit „Wirtschaft“, generell als seligmachend und investitionswürdig angesehen wird und hier hohe Summen ausgegeben werden. Mit dem Geld für das Bodenseeforum hätte sich problemlos auch eine spektakuläre Kunsthalle finanzieren lassen und mit den sich nun daraus ergebenden dauerhaft nötigen Zuschüssen wäre auch deren Betrieb auf allerhöchstem Niveau gesichert.

Doch muss ein spannendes Angebot nicht unbedingt kostenintensiv sein, es braucht aber Interesse. In den Städtischen Museen scheint dies kaum vorhanden. Tobias Engelsing, der Direktor der Städtischen Museen, ist Historiker und das ist für den Bereich des Stadtmuseums ja auch wichtig und notwendig. Man erhält aber nicht den Eindruck, dass die Kunst einen hohen Stellenwert in der Konstanzer Museumslandschaft einnähme. Hier ist niemand, der die Werbetrommel rührt, hier ist niemand, der einfach mal macht. Nicht einmal lokale Kunstgeschichte wird stetig präsentiert. So muss man einiges Glück haben, um Werke der für Konstanz und für die Kunstgeschichte so bedeutsamen Malerin Marie Ellenrieder zu sehen (und nein, es geht hier nicht um die Geschichte einer frömmelnden Heiligen-Malerin, sondern um die emanzipatorische Geschichte einer ambitionierten Künstlerin). Kunstgeschichte wäre schon in ausreichendem Maße vorhanden, aber sie wird von vornherein als nicht publikumswirksam abgetan. Das fängt schon mit den Räumlichkeiten an. Selbst mit den Stelen vor dem Gebäude sind sicherlich auch einige Konstanzer damit überfragt, wo sich denn die Wessenberg-Galerie überhaupt befindet.

Kunst ist wahrlich kein Pfund, mit dem die Stadt Konstanz derzeit wuchert. Für die nächsten Jahre scheint es da auch kaum Hoffnung zu geben, denn selbst die vorsichtig formulierten Pläne für die Wessenbergstraße 39 sind ja eher zaghaft darum bemüht, einen Mangel abzuhaken als weithin sichtbare Zeichen zu setzen.

Dabei gäbe es jetzt die Möglichkeit für eine spektakuläre Lösung. Teile des Sparkassengebäudes werden frei, in repräsentativer Lage am Bahnhof gelegen. Hier keinen weiteren Einkaufspalast entstehen zu lassen wäre auch die Aufgabe der Sparkasse, die ja im öffentlichen Interesse handeln und das Gemeinwohl beachten sollte. Den direkten Zugang von der Marktstätte zum Glaskubus einer Kunsthalle könnte man schöner gar nicht planen.

 

In Konstanz ist aktuell eine Debatte um die Stellung der zeitgenössichen Kunst im Gange. Um ihr mehr Geltung zu verschaffen, hat sich sogar eine Initiative gegründet. Auf diesen Gastbeitrag wird bei uns Tobias Engelsing, Direktor der Städtischen Museen in Konstanz, in der kommenden Ausgabe eine Replik schreiben.

Zur Person
Axel Lapp, 51, ist in Konstanz geboren und aufgewachsen. Er studierte Kunstgeschichte in Marburg, Colchester und Manchester. Lange Jahre arbeitete er als Kunstkritiker und Verleger in Berlin. Seit 2012 ist er Leiter der MEWO Kunsthalle sowie des Antoniter- und Strigel-Museums in Memmingen. In Konstanz kuratierte er 2015 die Ausstellung „Meeting Point“, den Beitrag des Kunstvereins zum Konziljubiläum.

 

 

Eine Replik des Leiters der städtischen Museen findet sich hier, wobei schon ein Kommentar darauf verweist, dass sich die von Herrn Engelsing aufgeführten Besucherzahlen für Memmingen und Konstanz nicht so recht vergleichen lassen (und aktuell sind sie natürlich auch nicht!), wenn man nicht gleichzeitig die Anzahl der potentiellen Besucher in Relation setzt …

 

 

 

 

 

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